Frauen in der Stadt

Auch wenn in Ulrich Richentals Chronik die Konstanzerinnen nur am Rande vorkommen, sind sie in charakteristischen Situationen zu entdecken. Als Mitglieder der städtischen Gesellschaft nahmen Konstanzer Frauen an den großen Prozessionen, Trauerfeiern, Hinrichtungen teil. Und am Ende empfingen auch sie Segen und Ablass durch den neuen Papst. In der christlichen Hierarchie standen sie jedoch gleichsam gesichtslos am Ende, wie das große Prozessionsbild zeigt. Die Frauen der Patrizier- und führenden Bürgerfamilien wurden von den adeligen Gästen zu Damenprogrammen eingeladen. Barbara von Cilli, die deutsch-römische Königin, lud zum Picknick in Richentals Garten. Einige der Frauen durften sie sogar beim Ausflug nach Überlingen begleiten. Für die Damen wurden Tanzfeste und Festessen veranstaltet, oft nach Turnieren. Offenbar war Tanzen damals schon für die Frauen wichtiger als für die Männer!

Fida Pfister, die Meersburger Patriziertochter, wurde dadurch berühmt, dass sie Jan Hus beherbergte. Sie war eine gut gestellte Witwe, wirtschaftete klug, versorgte ihre Kinder finanziell und vermehrte ihr Vermögen durch Hauskäufe. Dabei half ihr das Netzwerk ihrer Familie. Es gab noch andere Quartiergeberinnen: Noch jung war zur Konzilszeit die Felixin. Sie beherbergte unter anderen Heinrich von Bayern-Landsberg und Friedrich von Colonna, den Vetter des neuen Papstes. Sie ließ sich vom Weltstadtklima im Städtle oder ihren männlichen Gästen dazu verleiten, ihre Kleidung so zu tragen, dass man ihren Hals ein Handbreit und mehr bloß sah. Dafür wurde sie 1417 vom Konstanzer Rat gestraft. Später heiratete sie den Schaffhauser Bürger Heinrich Fulach, mit dem sie weiterhin im Bezirk Obertor auf der Nordseite der Rheinbrücke in Petershausen wohnte.

Als König Sigismund abreisen wollte, musste er für seine enormen Schulden Pfänder stellen. Über diese, es waren kostbare Tücher, wurden zwei Verzeichnisse angelegt. Das eine dieser Bücher bekam „die erber tochter Ann Bidermenni, Hugen Bidermanns tochter“, das andere Bentz Keller zur Aufbewahrung. Zu Bentz Keller heißt es: Er war selbst Geschädigter und vertrat die Gläubiger. Bei Ann Biderman ist zu vermuten, dass sie städtische Taxatorin war. In den mittelalterlichen Städten gab es nämlich das Amt der Gerichtsschätzer und Taxatoren, die Pfänder schätzten und aufbewahrten.

Auch in Handwerk und Handel waren Frauen im alten Konstanz tätig, teils als Ehefrauen, teils als Witwen, manche ganz selbständig. Bekannt ist Anca Yteleglin, die auf Weinschulden Sigismunds sitzenblieb. Die Illustrationen der Konstanzer Konzils-Chronik zeigen uns Frauen am fahrbaren Backofen und an den Fischständen beim Verkauf. Für viele ärmere Frauen und Landfrauen war der Kleinhandel wichtig: In der Chronik begegnen uns Frauen aus Wollmatingen und dem Thurgau, die Stroh in die Stadt brachten und für eine Traglast 6 Pfennige erlösten. Wir erfahren von den ärmsten, geschäftstätigen Frauen jener Tage, die weder Kapital noch Schönheit in die Waagschale werfen konnten: Alte Frauen wuschen den römischen Herren die Kleider.

Prozession der Frauen

 

Eine Frau verkauft Pasteten