Der Ritter Oswald von Wolkenstein (1377-1445) war einer der prominentesten Sänger seiner Zeit. Bekannt für seine zahlreichen Reisen in nahe und ferne Länder, teilte der aus Südtirol stammende Poet den Zeitgenossen seine Erlebnisse auf unterhaltsame Weise mit.

„O wunnikliches paradis,
wie gar zu Costnitz vind ich dich!
für alles, das ich hör, sich, lis,
mit gütern herzen freust du mich.
Inwendig, aufs und überal,
zu Münsterling und anderswa
regniert dein adelicher schal.
wer möcht da immer werden graw?"
sang er beispielsweise in seinem Lied "O wunnikliches paradis" über seinen Aufenthalt in Konstanz.

Eines seiner bekanntesten Lieder ist das sogenannte „Hussitenlied", das bereits zur Zeit seiner Entstehung großes Aufsehen erregte und in direktem Zusammenhang mit den Geschehnissen rund um das Konstanzer Konzil steht. Vor allem für den böhmischen Reformer Jan Hus und seine Anhänger war es ein unangenehmer Gassenhauer, da sie darin stark kritisiert wurden.

Oswald von Wolkenstein besang die durch die böhmischen „Aufrührer" ausgehende Gefahr, stilisierte Hus sogar zum Antichristen und forderte ihn zur dringenden Umkehr auf. Oswald kritisierte aber auch die Nachlässigkeit und die Ignoranz von Adel, Klerus und König, die sich allesamt nicht um die böhmische Bedrohung scheren würden. Das Lied endet mit der Vorausschau auf ein zukünftiges Szenario von apokalyptischen Ausmaßen, das die westliche Christenwelt erschüttern würde, sollte Hus nicht aufgehalten werden.

Oswalds Hussitenlied traf einen Nerv der Zeit und spiegelte die Ablehnung von Jan Hus wider. Das Lied wirkte wie ein Katalysator für den Unmut bei Adel und Klerus, da durch Jan Hus und seine Lehren vor allem diese Gruppen bedroht waren, denen auch Oswald von Wolkenstein selbst angehörte.
Oswalds Lied erfüllte damit eine wichtige Funktion: In einer Zeit ohne Radio, Internet und Zeitung war Musik noch viel stärker als heute eine bedeutende Form der Gesellschaftskritik. Gleichzeitig diente sie aber auch der freudigen Unterhaltung und wurde bei großen Ereignissen, wie beispielsweise Ritterturnieren, zum Besten gegeben.

Josua Junk, Simon Monteiro Diniz Reis, Daniela Schilhab, Lena Strittmatter

 

Bild: Zeitgenössisches Porträt Oswald von Wolkensteins aus seiner Liederhandschrift A (um 1425), copyright Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2777 Han