Die französischen Delegierten auf dem Konstanzer Konzil

Etwa 300 französische Delegierte waren während des Konzils von 1414 bis 1418 in Konstanz anwesend: Kardinäle, Bischöfe, Mönche und weitere Geistliche spielten dabei ganz unterschiedliche Rollen. Einer der bedeutendsten französischen Vertreter war der Theologe und Diplomat Pierre d'Ailly. Er gilt als einer der Initiatoren des Konstanzer Konzils und wirkte aktiv mit, das Konzil nach der Flucht von Papst Johannes XXIII. im März 1415 zusammen zu halten. Außerdem schlug er dem Konzil die ungewöhnliche Zusammensetzung des Konklaves vor, nach der nicht wie sonst üblich nur die Kardinäle, sondern auch eine bestimmte Anzahl an Vertretern der Konzilnationen an der Papstwahl beteiligt sein war. D'Ailly gilt zudem als einer der eifrigsten Verfolger von Jan Hus.

Auch der Kanzler der Pariser Universität Sorbonne, Jean Gerson, war eine der treibenden Kräfte im Prozess gegen den Reformer. Gerson trieb außerdem die Verhandlung in der Frage des sogenannten „Tyrannenmordes" voran. Dieser hatte den Streit zwischen rivalisierenden Häusern in Frankreich (siehe Seite 2) zum Eskalieren gebracht und entzweite auch die französische Konzilnation.

Ein weiterer bedeutender französischer Delegierter war der Humanist Guillaume Fillastre. Der zu Konzilbeginn etwa 68-jährige Kardinal spielte bei der Überwindung des Schismas eine zentrale Rolle. Er sprach sich für die Absetzung aller drei Päpste aus, verfolgte den flüchtigen Papst im März 1415 und führte neben anderen schließlich auch den Prozess gegen ihn. Von Fillastre sind heute noch lateinische Tagebuchaufzeichnungen überliefert, die einen Einblick in die inneren Vorgänge des Konzils ermöglichen.

Die Vertreter Frankreichs waren sich keineswegs immer einig. Die Konflikte, die ihr Land Ende des 15. Jahrhunderts beherrschten (siehe Seite 2), hatten auch Auswirkungen auf ihre Zusammenarbeit in Konstanz: In unterschiedlichen Reisegruppen erreichten nacheinander Delegierte des Herzogs von Burgund (18. Februar 1415), der Pariser Universität (21. Februar 1415) und des französischen Königs (5. März 1415) die Stadt. Dort wurden sie trotz ihrer internen Konflikte alle gemeinsam in die „französische Nation" integriert und tagten im Kapitelsaal des Dominikanerklosters.
Schon hinsichtlich des Vorgehens nach der Flucht des Papstes 1415 herrschte unter ihnen Uneinigkeit: Während sich einige für die Weiterführung des Konzils ohne Papst aussprachen, versuchte die Gesandtschaft des französischen Königs, für den flüchtigen Papst Partei zu ergreifen. Als 1415 der Hundertjährige Krieg einen erneuten Höhepunkt erreichte und König Sigismund zum Schrecken der Franzosen ein Bündnis mit dem englischen König Heinrich V. einging, fanden sich die französischen Delegierten in einer isolierten Position wieder. Sie waren gezwungen, ihre internen Streitigkeiten zu überwinden, um als geeinte Konzilnation gegen die anderen bestehen zu können. Ihre Hauptziele, das Schisma zu beenden und die hinter Jan Hus und seinen Lehren vermutete Ketzerei zu bekämpfen, konnten sie erreichen. Die internen Konflikte ihres Landes aber sollten sie noch über einige Jahrzehnte umtreiben.

Heute pflegt Konstanz engen Kontakt zur französischen Partnerstadt Fontainebleau. Hier entdeckte die französischen Königin und Zeitgenossin des Konzils, Isabeau de Bavière, angeblich ihre Liebe für Gartengestaltung, als sie das kleine Jagdschloss von Fontainebleau ganz nach ihrem Geschmack umgestalten ließ.

 

Bilder:
links: Eine Gedenkskulptur für den französischen Gelehrten Jean Gerson in Lyon. ©Konzilstadt
Mitte und rechts: Die Könige von Frankreich (Mitte) und England (rechts) sind auch in der Konzilschronik mit ihren Wappen verewigt. ©Rosgartenmuseum