Schilderung eines orthodoxen Gottesdienstes 

 „Da ich, Ulrich Richental, die Messe und den Altar gesehen habe [...], so will ich sie beschreiben. Auf dem Altar stand in der Mitte ein goldenes Kreuz, auf jeder Seite ein goldenes viereckiges Kästchen, gleich als ob das Heiltum darin läge und vier brennende Kerzen auf silbervergoldeten Leuchtern. Ein silberner vergoldeter Kelch wurde auch darauf gesetzt, der so groß war wie bei uns drei. [...] Neben den Kelch legten sie einen vergoldeten Metallteller, der so groß war, daß man wohl ein gebratenes Huhn hätte darauf bringen können. Ein goldenes Tuch lag darüber. Rechts hatten sie zwei goldene Kännchen hingestellt, die nicht ganz so groß wie die unserer Geistlichen waren. In dem einen befand sich Wein, Bier oder Met – ich weiß es nicht ganz genau, es war aber jedenfalls warm – in dem anderen Wasser. In die Fensteröffnung neben dem Altar stellten sie zwei silberne Schüsseln, die ebenfalls recht groß waren, und in denen je ein faustgroßes Weißbrot sich befand. [...] Rings um den Altar herum waren goldene Tücher gehängt, und auch der Fußboden war damit bedeckt, auf die der Erzbischof, sein Kaplan und zwei weitere griechische Herzöge niederknieten. Es waren insgesamt mehr als 300 ihres Glaubens anwesend.

Wenn alles fertig war, nahm der Priester das Rauchfaß in seine Hand, der Diakonus den Weihkessel. Beide gingen mit dem Evangelisten vor den Altar wo sie niederknieten und drei Kreuze machten. Jeder griff mit drei Fingern der rechten Hand an die Stirn, fuhr dann mit den Fingern auf die Brust herab und von da auf die rechte und linke Achsel. Überhaupt machten sie während der Messe gar viele Kreuze. Dann sprengte der Evangelist Weihwasser auf den Altar und nahm den Wedel von dem Diakonus. Der Priester trat nun an den Altar heran, hauchte darauf, beräucherte alles und ging dann zu dem Erzbischof, den er samt allen Anwesenden und mich auch beräucherte.

Dann hängte der das Rauchfaß auf, zog nach eine Alba an und vorn von der Hand bis zu dem Ellbogen noch zwei kostbare goldgewirkte Ärmel, die er mit seidenen Schnüren anband. Darauf zog er das Meßgewand darüber, das gleich wie eine Glocke vom Hals bis auf die Füße ging. Wenn er die Hände gebrauchen wollte, musste er das Meßgewand auf die Arme nehmen. Darauf traten die Geistlichen vor den Altar, verbeugten sich, indem sie den Kopf auf ihre Hände legten und sich bis auf die Erde bückten. Darauf bot der Diakonus dem Evangelisten die Schüssel mit dem Brot. Der Evangelist nahm ein Brot und stach mit einem Messer darein, wie man einen Käse probiert. Ein Stück so groß wie eine Bohne wurde herausgeschnitten und dem Priester gegeben, Auch dieses wurde auf den Metallteller gelegt und mit einem goldenen Tuch bedeckt.

Darauf nahm der Evangelist die beiden Fläschchen und goß sie in den Kelch. Auf dem einen stieg Rauch empor, so daß man wohl merkte, daß warmer Wein oder Wasser darin war. Das wurde zugedeckt und sie trugen es zur Mauer hin. Ein Schüler sang in ihrer Sprache die Litanei, und Geistliche und Laien antworteten langsam. [...]

Da der Priester nun das  Abendmahl genießen sollte, nahm der Diakonus eine brennende Kerze, und der Evangelist ergriff den Kelch. Der Priester nahm den Metallteller, ging zu denen, die bei der Messe waren, und alle knieten nieder. Sie sangen wiederum, und der Priester schwang das Weihrauchfaß. Darauf nahm er das größere Stück Brot, zerbrach es in zwei Teile und legte eins in den Kelch, das andere, das auf dem Metallteller blieb, segnete er. Das eine Stück nahm der Priester von dem Metallteller und gab es dem Evangelisten. Dieser nahm es in seine linke Hand, machte sie zu und legte die auf den Altar und das Haupt auf die Hand. Das Gleiche tat der Priester mit dem anderen Stück. Darauf aßen sie beide es aus der Hand. Der Evangelist hielt den Kelch und der dritte Geistliche schöpfte mit dem Löffel aus dem Kelch und gab dem Priester. Währenddessen zerbrach der Diakonus die zwei Brote in kleine Stücke und brachte sie dem Erzbischof, der nach dem Segen jedem anwesenden Laien ein Stück gab. Jeder Laie nahm es in seine linke Hand, tat wie die Geistlichen und aß es aus der Hand.

Solche Messen fanden viele in Konstanz statt, während er da war. Ich habe sie auch anderswo gesehen, aber sie waren nirgend so prächtig und feierlich wie hier."

Brandt, Otto H. (Hrsg.): Ulrich von Richentals Chronik des Konzils zu Konstanz 1414 - 1418. Leipzig 1913.

Griechischer Altar. Richental-Chronik. Rosgartenmuseum