Ein Tag im Leben von Lissi während des Konstanzer Konzils

„Lissi, aufstehen! Hoch mit dir, Schlafmütze!" Die siebenjährige Elisabeth schlüpft unwillig und mal wieder als Letzte aus dem Bett. Jetzt muss sie sich aber sputen und Mama dabei helfen, die beiden kleinen Geschwister zu versorgen.

Die Kleinste, Klara, trägt noch Windeln und Elisabeth ist neben dem Wickeln und Waschen der Kleinen für das Windelwaschen verantwortlich. Dass ausgerechnet sie das älteste Mädchen sein muss! Ihre drei älteren Brüder sitzen bereits am Frühstückstisch und warten auf den Haferbrei mit Honig, den Mutter auf dem Herd kocht. Nach dem Frühstück werden die drei das Haus verlassen. Ihr ältester Bruder, Johann, wird mit Vater in die Schmiede gehen, Friedrich und Georg in die Domschule am Münster. Wie gerne Elisabeth auch dort hingehen würde! Aber sie ist nun mal ein Mädchen und die gehen eben nicht zur Schule. Wenigstens kann sie schon ihren Namen schreiben: E-l-i-s-... „Lissi, träum nicht herum, beeil dich und komm zum Frühstück!" ruft Mama nochmal.

Mit vollgeschlagenem Bauch läuft Elisabeth durch die Gassen von Konstanz und guckt neidisch den kleineren Kindern beim Spielen zu. Die haben es gut und können noch den ganzen Tag Würfeln, Kreiseln oder Ball spielen. Vielleicht kann sie, wenn sie sich beeilt, schnell zum Fluss läuft und die Windeln auswäscht, ein paar Minuten herausschlagen und auch ein paar Murmeln rollen? Au ja, das will sie versuchen! Wenn nur Ansgar, ihr kleiner Bruder, auf den sie ständig aufpassen sollte, nicht so unglaublich langsam wäre! „Hopp, Ansgar, wenn wir jetzt schnell sind, kannst du nachher ein bisschen mit den anderen spielen und vielleicht leihe ich dir sogar meine große Glasmurmel..!" Na, das hat gewirkt, vor Vorfreude quietschend hüpft der Kleine davon und Elisabeth muss zusehen, dass sie ihn nicht noch im Gewühl der Gassen aus den Augen verliert.

„Wo wart ihr denn so lange?" ruft Mama ärgerlich, als sie endlich nach Hause kommen. Dabei haben sie wirklich nur ein paar Minuten mit den anderen gespielt. Aber die Gassen waren plötzlich so voll, dass kaum ein Durchkommen war. Wahrscheinlich war wieder ein hoher Geistlicher vom Konzil mit seinem Gefolge unterwegs und hat die Stadt verstopft. Das kommt in den letzten Monaten häufiger vor, immerhin sind tausende Menschen hier um einen neuen Papst zu wählen. Manche Gäste schlafen sogar in alten Fässern, so voll ist es zur Zeit in der Stadt.

„Ich brauche dich hier zum Gemüse schneiden, Lissi. Wenn wir schnell sind, können wir heute Nachmittag mit deinem Vater und den Jungs zum Brüel gehen, da soll es heute nämlich ein Turnier geben bei dem wir zugucken können." Na, das lässt Elisabeth sich nicht zwei Mal sagen und greift sich die erste Rübe aus der Schüssel.

Als sie abends im Bett liegt, schläft Lissi fast sofort ein. Sie haben es zum Turnier geschafft und die ganze Familie hat zusammen zugeschaut, wie die hohen Grafen und Herzöge sich mit ihren langen Lanzen gegenseitig vom Pferd geschubst haben. Das war ein Spaß! Aber auch ganz schön anstrengend.

 

Bild: © Ralf Staiger / Konzilstadt Konstanz