Mehr als 600 Urkunden und Bildnisse sowie zahlreiche autobiographische Bezüge in Liedern zeugen vom abwechslungsreichen und abenteuerlichen Leben von Oswald von Wolkenstein. Der um 1377 in Tirol geborene Ritter, Abenteurer, Liedermacher und Sänger kam im Auftrag des Bischofs von Brixen zum Konstanzer Konzil. Hier nahm ihn König Sigismund für 300 ungarische Gulden jährlich in seine Dienste. Er sollte zwischen dem Tiroler Adel und dem römisch-deutschen König vermitteln. Zudem sorgte Wolkenstein mit seinen Liedern für die königliche Unterhaltung. So ist es nicht verwunderlich, dass der singende Ritter Sigismund in Perpignan und auf seiner Reise nach Paris begleitete. In zwei Liedern berichtet Wolkenstein von den Erlebnissen und vergisst dabei nicht, seine Erfolge zu beschreiben: Von zwei Königinnen, Eleonore von Aragon und Isabeau von Frankreich, wurde er für seine Sangeskunst reich mit Edelsteinen bedacht.

Wolkensteins unzählige Reisen, die ihn in die unterschiedlichsten Länder führten, haben ihre Spuren in seinen Liedern hinterlassen. Sie finden sich nicht nur in einem lustvollen Einsatz der unterschiedlichen europäischen Sprachen sondern vor allem in den Kompositionen wieder. Musikwissenschaftler haben unter anderem Einflüsse von nordfranzösischer, burgundischer und italienischer Musik nachgewiesen. Wolkenstein selber hat sich nie als Komponisten bezeichnet. Er fügte Versatzstücke für seine Lieder zusammen und nutzte die selbe Melodie gerne für verschiedene Lieder. Dennoch gilt er mit seinen ungefähr 30 polyphonen Sätzen heute als Pionier neuer mehrstimmiger Komposition im deutschsprachigen Raum. Vermutlich hat das Sprachgewirr des Konstanzer Konzils Wolkenstein zu dieser viersprachigen Textcollage veranlasst:

Bog te sprimi! Was führt dich her?
Grand merci à toi, sine cura.
Ich freue mich, quod video te.
Cum bon amour jaz sem tvoje.

Oft lassen sich der Entstehungszeitpunkt und vor allem der Anlass, der Wolkenstein zu einem neuen Lied inspirierte nicht genau benennen. Das macht das Verstehen der Texte heute teilweise schwierig, denn Wolkenstein verstand es, zahlreiche Anspielungen, Doppeldeutigkeiten aber auch Spitzen in und zwischen den Zeilen zu platzieren. Wie zum Beispiel über Papst Benedikt XIII., der mit bürgerlichem Namen Pedro di Luna hieß:

Ja Peterle, du böse Katz,
lunatisch, kindisch, tückisch,
dein alter Kahlkopf ward nicht klug.

Da Oswald von Wolkenstein meist im Dienstverhältnis von Bischöfen, Grafen oder dem König stand, war er nie von seinem Erfolg als Liedersänger materiell abhängig und konnte in seinen Texten lustvoll spotten. Allein 30 bis 40 neue Lieder soll Oswald von Wolkenstein 1416 bis 1417 in Konstanz geschaffen haben. Hier fand er während des Konzils auch ein großes, interessiertes Publikum vor. Edelleute, Gelehrte und geistliche Würdenträger wussten zwischen ihren Sitzungen und Besprechungen gute Unterhaltung bestimmt zu schätzen.

(Übertragungen der Wolkenstein-Zitate von Dieter Kühn)

 

Wolkenstein aus Richental