Das Konzil als Grundstein für das gemeinsame Europa
Zu einem Brückenschlag zwischen Konstanzer Konzil und Europa heute luden am vergangen Donnerstag die Baden-Württembergische Landesvertretung in Brüssel gemeinsam mit der Konzilstadt Konstanz Vertreter von Politik, Kirche, Kultur und Wissenschaft zu einer Podiumsdiskussion in die Repräsentanz des Landes bei der Europäischen Union ein. Rund 200 Gäste folgten der Einladung zu der Veranstaltung, die unter der Schirmherrschaft des Präsidenten des Europäischen Parlaments Jerzy Buzek stand.
„Europa braucht Geschichten“ hob Europaminister Peter Friedrich in seinen Grußworten hervor. Das krisengeschüttelte Europa brauche Visionen, die auf der gemeinsamen Geschichte aufbauen. Friedrich stellte dar, dass das Jubiläum des Konstanzer Konzils 2014 bis 2018 Geschichte erfahrbar mache und – so schloss der Minister mit einem Zitat von Golo Mann, „wer die Geschichte nicht kennt, kann die Zukunft nicht gestalten“.
Die darauffolgende Podiumsdiskussion zeichnete sich weniger durch kontroverse Positionen als vielmehr durch die Vielfalt der Perspektiven auf das Konstanzer Konzil und das heutige Europa aus. Den Teilnehmern gelang es immer wieder, den Bogen über 600 Jahre zu schlagen und zu zeigen, dass das Konstanzer Konzil als europäisches Ereignis einen Grundstein der gemeinsamen Geschichte darstellt. Unter der Leitung von Isabell Guzmán, EU-Korrespondentin des Evangelischen Pressedienstes, stellten die Diskutanten dar, dass die Beschäftigung mit der Geschichte sich lohnt, da sich zwischen dem Konstanzer Konzil und der Europäischen Union viele lehrreiche Parallelen ziehen lassen.
Das Konstanzer Konzil, so Jürgen Miethke, emeritierter Professor für mittelalterliche Geschichte, habe insofern eine Vorbildfunktion für Europa heute, als dass sich zwischen 1414 und 1418 in Konstanz ein „Marktplatz der Meinungen“ für Religionen, Politik und Kulturen entwickelte, in dem sich Wirkungen entfalten konnten, die sonst nicht möglich gewesen wären. Rainer Wieland, Vizepräsident des Europäischen Parlamentes, hob die „große Dichte an Kommunikation“ in Konstanz hervor, die heute leider bei manchen Treffen fehlen würde. Michael Köhler, Kabinettschef von EU-Kommissar Günter Oettinger, legte dar, dass sich das Konzilsprinzip im Konvent der Europäischen Union wiederfindet, der bei Vertrags- und Verfassungsänderungen zusammentritt. Europa, so der studierte Historiker und Islamwissenschaftler, dürfe weder ein Elitenprojekt noch ein „Hinterzimmerprojekt der Europäischen Union“ sein, sondern müsse für alle Bürger erfahrbar werden. Köhlers Vision eines Zusammentreffens verschiedener Europäer aus den Bereichen Politik und Kultur, die gemeinsam über Probleme diskutieren und Konflikte austragen – ähnlich wie beim Konstanzer Konzil – fand beim Publikum großen Anklang.
Monsignore Bernd Kaut, Leiter des Katholischen Büros in Stuttgart, erinnerte an die dunklen Seiten des Konstanzer Konzils, an die Verurteilungen und Hinrichtungen von Jan Hus und Hieronymus von Prag, die er als „kräftige Fehler der Kirche“ bezeichnete, die noch heute mahnen würden, wenn Versuche unternommen werden, Leute zum Schweigen zu bringen.
Wie wichtig es ist, Konflikte und Probleme in einem Forum wie Parlament oder Konzil darzustellen und auszutragen, stellte Professor Miethke dar. Würden Konflikte nicht an einem solchen Ort inszeniert, nähme die Gesellschaft Schaden. Rainer Wieland schloss die Diskussion daher mit der Feststellung, dass Europa Orte der Begegnung brauche, an denen wieder miteinander und nicht nur übereinander gesprochen werde, egal ob sie nun Konzil, Konvent oder Konklave hießen.
Der Konstanzer Oberbürgermeister Horst Frank lud am Ende des Abends mit einem beherzten „Wir in Konstanz sind bereit“ zu einem erneuten „Marktplatz der Ideen“ nach Konstanz ein. Anfang Januar 2012 ist die Konzilstadt Konstanz im Europäischen Parlament zu Gast. Auf Einladung des Abgeordneten Andreas Schwab zeigt sie mit einer kleinen Ausstellung die europäischen Bezüge vom historischen Ereignis bis zu geplanten Jubiläumsveranstaltungen mit europäischen Partnern.