Glaube im 15. Jahrhundert

Die Überreste der Konstanzer Kirchen und Klöster erzählen uns noch heute von den kirchlichen Strukturen des mittelalterlichen Konstanz. Wie aber wurden Glaube und Religion gelebt? Die Bibel nahm hierbei eine zentrale Rolle ein. Am geläufigsten war sie den Klerikern und Mönchen.

Obwohl der Großteil der Bevölkerung nicht lesen konnte und Bücher unerschwinglich waren, war die Bibel dauerhaft präsent: Sie begegnete den Laien in ihrem Alltag beim Gottesdienstbesuch, war eng mit Sonn-, Feier- und Namenstagen, Taufe, Hochzeit oder Tod verbunden. Die sogenannten Stundenbücher, die zur privaten Andacht genutzt wurden, waren im frühen Mittelalter vor allem bei Adeligen beliebt. Im Spätmittelalter wurden sie zunehmend auch von den gehobenen Laienkreisen gebraucht.

Farbenprächtige Darstellungen biblischer Szenen in den Kirchen präzisierten die Vorstellungen der Menschen. In der ständigen Erwartung des Jüngsten Gerichts lebend, versuchte man, Gottes Willen gerecht zu werden und erkaufte sich sein Seelenheil: Umrechnungstabellen zeigten auf, welche Sünden durch welche Gebete oder Psalmen aufgewogen werden konnten. Auch Stiftungen oder Pilgerfahrten sollten für ein Leben nach dem Tod zuträglich sein.

Die Furcht vor Sünden erreicht im 15. Jahrhundert einen neuen Höhepunkt in Europa. Der Glaube daran, dass der christliche Gott, sich an bestimmten Orten persönlich offenbart oder durch Heilige seine Wirkung zeigt, war den Gläubigen Trost. Pilgerfahrten waren aus christlich-theologischer Sicht nicht zwingend, jedoch konnten solche Reisen nur Positives bringen.

An kirchlichen Feiertagen prägten Prozessionen das Stadtbild, hinzu kamen noch spontane Umzüge, wie nach der Papstwahl. Glaubt man dem Chronisten Richental, so stellten die Prozessionen während des Konzils für die Konstanzer Bürger, Kleriker und vor allem Domherren eher eine Fortsetzung schon bekannter Rituale als eine Neuheit dar: Die Fronleichnamsprozessionen verbanden schon lange die verschiedenen Teile der Stadt und waren von „man, frawen, pfaffen und laigen" begleitet, die Konstanzer waren sowohl Mitwirkende als auch Publikum.
Nicht immer verhielten sich die Konstanzer so, wie die kirchliche Obrigkeit es sich wünschte: Als Papst Johannes XXIII. gemeinsam mit vier Kardinälen an Lichtmess 1415 Kerzen an die Bürger verteilte, entstand, so Richental, unter dem Volk „ein großes Krapfen, und jeder fiel über den anderen her, so dass großes Gelächter wurde."

Ob die Zusammenkunft von weltlichen und geistlichen Machthabern und die Konfrontation mit anderen Religionen den Glauben der Einheimischen bestärkten, wissen wir nicht. Archäologische Ausgrabungen am Fischmarkt in Konstanz bezeugen immerhin, dass der Bedarf an Rosenkränzen während des Konzils angestiegen ist.

König Sigismund liest an Weihnachten 1414 aus einer Bibel. Richental-Chronik. Rosgartenmuseum

Bürgerliche Teilnehmer einer Fronleichnamsprozession. Richental-Chronik. Rosgartenmuseum

Verteilung der Kerzen an Lichtmeß 1415. Richental-Chronik. Rosgartenmuseum