Eine päpstliche Bulle von Johannes XXIII. in deutscher Übersetzung

Wie lädt man die Welt zu einem Großereignis wie dem Konstanzer Konzil ein? Wer ist dafür zuständig?

Am 9. Dezember 1413 verfasste Papst Johannes XXIII. die Einladungsbulle zum Konstanzer Konzil. Mit diesem offiziellen Schreiben wandte er sich an alle Würdenträger der Christenheit. Der lateinische Text findet sich unter anderem in der Chronik von Ulrich Richental, der es abschrieb. Trotz seiner zentralen Bedeutung wurde es bis heute nicht übersetzt. Es war an der Zeit, dies zu ändern.

„Zum Frieden und Wohlergehen der Kirche und zur Beruhigung der Christenheit" fasste Papst Johannes XXIII. den Entschluss, ein Konzil abzuhalten Er trat damit in die Fußstapfen seines Vorgängers, Alexanders V., von dem er im Schreiben ausführlich berichtete. Alexander hatte beim Konzil von Pisa (1409) verfügt, dass die bis dahin offenen Probleme der Kirche in einem weiteren Konzil geklärt werden müssten. Diese Aufgabe übernahm Johannes XXIII. und berief 1412 ein Generalkonzil in Rom ein, das jedoch an zu geringer Teilnahme scheiterte. So sah Johannes sich gezwungen, mit König Sigismund zu kooperieren, da dessen Unterstützung eine rege Teilnahme an einem neuerlichen Konzil versprach. Sigismund schlug Konstanz als Veranstaltungsort vor. Als Termin wurde der 1. November 1414 festgelegt. Was genau auf dem Konzil zu tun sei, verrät das Schreiben allerdings nicht. Dennoch lohnt es sich, einen Blick in das Einladungsschreiben zu werfen, denn ohne dieses Schreiben, hätte es vermutlich kein Konzil in Konstanz gegeben!

Im Zuge des Hauptseminars an der Uni Konstanz „Konzil, Gelehrte und Universitäten", unter der Leitung von Prof. Dr. Barbara Feichtinger-Zimmermann und Prof. Dr. Gabriela Signori, wurden die zwei Lateinstudentinnen Julia Zeller und Sabrina Restle damit beauftragt, einen Übersetzungsversuch zu unternehmen. Die folgende daraus entstandene Übersetzung basiert auf der Textgrundlage von Hermann von der Hardt. Zur Überprüfung wurde die Richental-Chronik in der Edition von Thomas Martin Buck herangezogen.

Bischof Johannes, Diener der Diener Gottes, zum künftigen Gedenken.

Zum Frieden und zur Erhöhung der Kirche, zur Befriedung der Christenheit, die wir mit willigem Herzen und starker Sehnsucht anstreben, regeln wir dies gerne und fragen uns, wodurch ein derartiger Frieden, Erhöhung und Befriedung erfolgreich befördert zu werden vermag. Denn längst hatte Papst Alexander V., unser Vorgänger, Gott habe ihn selig, der damals das heilige Generalkonzil zu Pisa leitete, weil ebenso viele und schwerwiegende Gründe ihn drängten, wobei das Konzil selbst zustimmte, unter anderem für sich und seinen Nachfolger beschlossen, dass wieder ein Generalkonzil, von damals innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren, an einem Ort, der ihm oder seinem Nachfolger geeignet erschien, feierlich einberufen werden muss. Derselbe Vorgänger schob für damals das, was rings um die Reformation von der Kirche noch erledigt werden musste, auf. Er beschloss, dass dieses Konzil innerhalb eines festgesetzten Zeitraumes von drei Jahren fortgesetzt werden müsse und vertagte es.

Kurz darauf aber starb unser Vorgänger Alexander (wie es Gott gefiel) und wir wurden, begünstigt durch die göttliche Gnade, zur Spitze des höchsten Apostolates emporgehoben, während die Zeitspanne der drei Jahre schon gekommen war. So wollten wir uns beeilen, in die Fußstapfen des Vorgängers zu treten und die besagte Einberufung, die von ihm im Konzil - wie zuvor berichtet - vorgenommen worden war, mit reinem Herzen und aufrichtigen Willen umzusetzen. Wegen der aufgeführten Vorgaben, die uns beschäftigten, beriefen wir daraufhin in der Stadt Rom (die, nachdem sie kurz zuvor aus den Händen der Feinde zurückgewonnen worden war, unsere Anwesenheit für ihre Sicherheit am meisten verlangte) zur verfügten Zeit ein solches Konzil ein.

Da aber, als später die festgesetzte Zeit gekommen war, die Prälaten und die übrigen, die an einem solchen Konzil immer teilnehmen mussten, keineswegs in einer so großen Zahl zusammenkamen, wie es die Wichtigkeit der zu erörternden Dinge zu verlangen schien, verlegten wir schließlich, nach all den anderen Verzögerungen, die durch uns verursacht worden waren, das Konzil auf den gegenwärtigen Dezember und beschlossen, dass es förmlich abgehalten werden müsse; den Ort aber ließen wir im festgesetzten Zeitraum noch zur Bekanntgabe offen, um uns zwischenzeitlich darüber reiflich zu beraten.

Danach aber, als der genannte Zeitraum noch nicht verstrichen war, wurden wir durch einen Brief des teuersten Sigismund, unseres Sohnes in Gott, gewählt zum König der Römer und edler König Ungarns, dringendst aufgefordert, dass wir uns bei der Verkündung eines Ortes für die Durchführung eines derartigen Konzils Zeit lassen, und dass wir sowohl die Verkündung des genannten Ortes als auch besonders den Zeitpunkt für die Abhaltung zu nennen unterlassen mögen, solange bis er selbst seine Boten, die über diese Sache unterrichtet worden waren, zu uns geschickt habe. Wir meinen, dass wir den Wünschen des Königs, von denen wir sehen, dass sie aus Eifer gegenüber der Ehrerbietung und aus der Reinheit des Glaubens entspringen, zustimmen können, dass man auf die Ankunft der genannten Boten nach Willen, Rat und Zuspruch unserer verehrungswürdigen Brüder der heiligen römischen Kirche, der Kardinäle und Prälaten, die in Rom im Generalkonsistorium dazu einberufen worden sind, warten müsse.

Dann, als wir uns nach dem beklagenswerten Ereignis in der Stadt Rom damals in der Nähe von Florenz aufhielten, waren die Boten des Königs zu uns gekommen und hatten von Seiten des Königs viel zum Inhalt des Konzils vorgeschlagen. Nachdem wir ihre Berichte angehört hatten, schickten wir zugunsten eines ergebnisreicheren Unternehmens, unsere geliebten Söhne, Antonius, seines Zeichens Priester von St. Cäcilia, und Franziskus, seines Zeichens Diakon von St. Cosmas und Damian und die Kardinäle der heiligen römischen Kirche mit Vollmacht zur Wahl des Ortes und Erörterung des Termins, und zusammen mit ihnen unseren geliebten Sohn, den edlen Mann, Manuel Chrysoloras, einen Ritter aus Konstantinopel, zum König. Als diese zu ihm kamen, wählten sie schließlich einträchtig mit dem Rat und der Zustimmung des Königs persönlich die Stadt Konstanz in der Provinz von Mainz für die Durchführung des Konzils aus und setzten als Termin für den Beginn des Konzils den ersten Tag des kommenden Novembers fest.

Hierauf aber versicherte er uns, die wir aufgrund der sehr wichtigen Aufgabe mit dem König, gemäß unseres und seines Wunsches persönlich zusammenkamen, die günstige Beschaffenheit, die Kapazität und die Sicherheit der zuvor genannten Stadt Konstanz; der König selbst versprach, für diese Sicherheit zu sorgen und beim Konzil höchstpersönlich anwesend zu sein. Weil wir wollen und uns aus dem Innersten heraus wünschen, dass die angekündigte Durchführung des Konzils vorteilhaft verläuft und das gewünschte Ergebnis erzielt wird, ratifizieren wir die getroffene Wahl des Ortes und des Termins (wie berichtet) mit apostolischer Autorität im Einklang mit Rat und Zustimmung unserer Brüder und fügen dem noch die Bekräftigung der apostolischen Macht hinzu und beschließen, verkünden und entscheiden, dass das besagte Konzil in der genannten Stadt Konstanz am ersten Tag des kommenden Novembers beginnen und nach Gottes Willen sodann durchgeführt werden muss, mit dieser Autorität und Eintracht. Wir ersuchen, ermahnen und appellieren an unsere ehrwürdigen Brüder, die Patriarchen, Erzbischöfe, Bischöfe und geliebten Söhne, die auserwählten Äbte und die übrigen Prälaten der Kirchen und Klöster und durch die Kraft des vorgeschriebenen Eides und der heiligen Oboedienz, halten wir sie an, dass sie persönlich erscheinen; und wir laden besonders die in Christus hoch geschätzten Könige und Edelmänner, Herzöge, Fürsten, Markgrafen und alle, die an einem derartigen Konzil teilnehmen sollen, oder die auf irgendeine Weise zum Erfolg des Konzils beitragen können, durch die innigste Nächstenliebe unseres Herrn Jesus Christus ein, und ermahnen sie, dass sie für den Frieden der Kirche und aller Christen entweder persönlich, oder, wenn sie nicht persönlich können, durch repräsentative Redner, zum vereinbarten Termin am Konzil teilnehmen müssen. Sodass durch die so aus der Menge der Gläubigen zusammengesetzte Anzahl, nach dem Willen und mit der Hilfe Gottes, das, was dem Konzil als Agenda vorliegt, heilvoll geordnet werde.

Überhaupt keinem Menschen also sei es erlaubt, diese Urkunde unserer Ratifizierung, Bewilligung, Bestätigung, Vorschrift und Beschlusses zu verletzen oder ihr im unbesonnenen Wagnis zuwiderzuhandeln. Wenn aber jemand sich herausnehmen sollte, diese anzutasten, so soll er wissen, dass er den Zorn des allmächtigen Gottes auf sich ziehen wird. Ausgestellt in Lodi am 9. Dezember, im vierten Jahr meines Pontifikats (1413).