Gab es arbeitende Frauen im Mittelalter?

Arbeitende Frauen in der Stadt waren im Mittelalter in der Unter- und Mittelschicht keine Seltenheit. Insbesondere niedere Bürgerfamilien waren oft auf zwei Einkommen von Mann und Frau angewiesen, um die Existenz der Familie zu sichern. Im Mittelalter gab es sowohl Berufszweige, in denen Frauen völlig selbstständig agieren konnten, als auch solche, in denen praktisch keine Frauen vertreten waren. Zu letzteren gehörten bedeutende Positionen in Politik, Wirtschaft oder kulturellen Bereichen. Aufgrund des meist geringen Bildungstandes (Mädchen besuchten wesentlich seltener und kürzer eine Schule), sowie der Tatsache, dass sie als Unmündige einem Vormund unterstellt waren, durften Frauen nicht eigenmächtig jeden Beruf ausüben und selbständig einer Arbeit nachgehen.

In Handwerksbetrieben halfen Frauen oftmals als lohnabhängige Hilfsarbeiterinnen mit. Wenn sie verheiratet waren arbeiteten sie im Betrieb des Ehemannes mit. Durch den Status der Ehefrau erhielten sie einige Rechte mehr und konnten den Ehemann bei Abwesenheit im Betrieb vertreten. Mancherorts konnten die Ehefrauen nach Ableben des Mannes die Geschäfte als Witwe weiterführen. Spätestens nach einem Jahr aber mussten sie meist das Geschäft verkaufen oder an ihre erwachsenen Kinder abtreten, wenn sie selbst nicht in dem Beruf ausgebildet waren.

Grundsätzlich war die Palette der Berufe, in denen Frauen tätig sein konnten, vielseitig: 65 Berufe von Frauen sind beispielsweise für das mittelalterliche Frankfurt registriert! Darunter sind viele in der Textilverarbeitung, wie Kürschnerei, Handschuh- oder Hutmacherei. Frauen waren im Metall- und Holzhandwerk tätig, im Bäckereihandwerk, der Bierbrauerei, bei der Fertigung von Seifen und Kerzen, als Abschreiberinnen, Näherinnen oder als Handels- und Kauffrauen. Sie waren auch als Mägde, die lohnabhängig in Häusern und Gewerbebetrieben arbeiteten, tätig. Zahlreiche Frauen verdingten sich als Köchinnen, Küchenmägde, Kinder- und Krankenschwestern.

Zahlreich vertreten waren Frauen außerdem in den klassischen „Frauenberufen", wie beispielsweise der Geburtshilfe. In diesem Berufszweig konnten Frauen völlig selbstständig agieren. Nicht unerwähnt soll auch hier „das älteste Gewerbe der Welt", die Prostitution, bleiben. Diese bot den Frauen eine, wenn auch gesellschaftlich nicht besonders hoch geachtete, Option des Gelderwerbs. Ulrich Richental berichtet in seiner Chronik von 700 „offenen" Frauen (zuzüglich der „heimlichen", die er nicht beachtete), die er während des Konzils in Frauenhäusern, Ställen oder Badstuben gezählt habe.

Dirnen hatten in der mittelalterlichen Gesellschaft einen festen Platz und genossen trotz des verrufenen Gewerbes ein gewisses Ansehen. Die Frauenhäuser waren in vielen Städten im 15. Jahrhundert feste, wenn auch umstrittene, Institutionen und Teil der städtischen Lebensweise. Die Gründe, aus denen eine Frau diesem Gewerbe nachging, müssen mangels Quellen oft ungeklärt bleiben, sie sind aber, ebenso wie heute auch, vermutlich im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich zu suchen.

Das Klischee von der mittelalterlichen Frau, die nichts anderes tat als Kind und Haus zu hüten ist also tatsächlich nichts anderes als das: Ein Klischee.

 

Bilder:
links: Eine Frau verkauft Brot an Konzilgäste. Richentalchronik, © Rosgartenmuseum
rechts: Die Weberfresken im Haus zur Kunkel zeigen Frauen bei verschiedenen Schritten der Webarbeit, 14. Jahrhundert, © Kulturbüro / Konzilstadt