Das Interview zum Literaturfestival "Minne meets Poetry"

Im Vorfeld von "Minne meets Poetry" hat Daniela Sabatino von der Konzilstadt Konstanz mit zwei der Kuratoren über das Literaturfestival gesprochen. Sarah Müssig und Urs Heinz Aerni plauderten mit ihr über Konzept, Höhepunkte und Hintergrund des Festivals. Das ausführliche Programm zum Festival finden Sie hier.

 

Herr Aerni, Frau Müssig – MINNE MEETS POETRY – was hat es damit auf sich?

Aerni: Das aus dem Mittelalter stammende Wort „Minne“ mit der herkömmlichen Bedeutung Liebe verwandelte sich im Laufe der Zeit zu einem literaturhistorischen Begriff, mit dem wir heute Minnesänger in Verbindung bringen, die eben über die Liebe, aber auch über gesellschaftliche Anliegen dichteten und sangen. Diese Poesie, die ja während des Konstanzer Konzils in voller Blüte stand - u. a. auch durch den aus Südtirol stammenden Oswald von Wolkenstein - trifft sich nun bei diesem Festival mit heutigen Formen der Kunst. Sie wissen ja, wie beliebt die Poetry Slams sind, diese literarischen Wettkämpfe bei denen es ja auch um Liebe und Leben geht. Nun vermengen sich in unserem Festival damalige und zeitgenössische literarische Kreativität. Auf das freue ich mich sehr.

Müssig: 2018 – im Jahr der Kultur, welches unter der Schirmherrschaft von Oswald von Wolkenstein steht – haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die Poesie und Musik von damals ins Heute zu holen, mit all ihren Spielarten und Facetten. Es geht um die vielfältigen Verbindungen, wie auch unterschiedlichen Ausprägungsformen von Poesie und Musik. Fünf Tage lang werden Lyrik von damals und heute, musikalische Darbietungen und unterschiedlichste Orte aufeinandertreffen. Neben klassischen Lyrikformaten und Lesungen mit deutschlandweit renommierten Autoren und Autorinnen wie Nora Gomringer, Musik aus der Heimat und der Ferne, Poetry Slam und Harfentönen, wird es auch verschiedene Crossover-Veranstaltungen geben.

Herr Aerni, wie kam es dazu, dass Sie das Festival mit organisieren?

Aerni: Ich durfte schon mehrmals auf Einladung des Kulturamtes Konstanz Lyrik- und Krimilesungen moderieren und als Jury-Mitglied des Kunstfonds Konzil für die freie Kunst während des Konziljubiläums wirken. Dann wurde ich fürs Mitkuratieren dieses Festivals angefragt, was mir eine Ehre und Freude ist.

Liegt dem Festival ein besonderes Konzept zugrunde?

Aerni: Jeder Tag unterliegt einem Motto, einem Wolkenstein-Zitat, einem Grundthema. So wie damals während des Konzils, treiben uns Menschen Fragen um wie „Wo bin ich zuhause?“, „Warum ist’s so schwer mit der Liebe?“, „Wohin steuert uns die Welt?“ oder „Wieso stehen wir regelmäßig zwischen Lust und Frust?“. Ohne die Kunst würden uns diese Fragen in den Wahnsinn treiben, denn sie ermöglicht neue Zugänge, neue Einsichten und andere Erfahrungen, die schlussendlich das Leben reich machen. Das Festival schlägt nicht nur die Brücke von damals zu heute, sondern eine zwischen dem Leben und uns...

Müssig: Insgesamt haben wir 18 Veranstaltungen in diesen fünf Tagen und noch eine zusätzliche Schullesung mit dem Schriftsteller Arne Rautenberg. Die Länge des Festivals ermöglicht uns somit auch ganz unterschiedliche Zielgruppen an unterschiedlichen Orten abzuholen. Späte Abendveranstaltungen in Weinkneipen und Konzerträumen sind somit ebenso möglich wie Schullesungen, Stadtführungen und Veranstaltungen am Nachmittag.

Für wen ist das Festival geeignet? Braucht man Lyrikkenntnisse, um die Veranstaltungen besuchen zu können?

Müssig: Jeder wird für sich etwas in dem umfangreichen Programm finden und Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Wer Freude an der Vielfältigkeit der Sprache, dem Klang, der Musik hat, wird in jeder einzelnen Veranstaltung eine ganz besondere Erfahrung machen. Es lohnt sich aber auf jeden Fall auch, genau die Veranstaltungen zu besuchen, welche einen Blick über den Tellerrand wagen und Ungewöhnliches bzw. noch nicht oft Gehörtes zum Besten geben, zum Beispiel einen Beatboxer mit Orgel.

Aerni: Was die Besucherin und der Besucher mitbringen müssten, wären Neugier, offene Sinne und die Absicht, sich durch Wort und Klang fürs weitere Leben inspirieren zu lassen. Ah ja, eine Prise Humor wäre auch nicht schlecht.

Wie kommt man heutzutage darauf, ein Festival zum Thema „Minne“ zu machen?

Aerni: Weil das Leben heute nicht wirklich anders ist als vor 600 Jahren. Damals suchten Menschen nach Sinn, Macht und Unterhaltung und heute? „Seht, mancher schätzt sich selber wohl, drum ist die Welt der Toren voll...“ soll Oswald Wolkenstein mal gesagt oder gesungen haben. Vielleicht würde er dies heute in Anbetracht der aktuellen Weltlage eins zu eins wiederholen. Wenn das Festival nicht nur unterhält, sondern eine Nachhaltigkeit für unser Nachdenken hinterlässt, dann würds mich sehr freuen.

Müssig: Unsere Aufgabe und gleichzeitig unsere Leidenschaft ist es, Kultur unter die Menschen zu bringen, sie zu ermöglichen, erlebbar zu machen und sie somit auch zu verankern. Unter dem Begriff „Minne“ kann sich vielleicht der eine oder die andere gar nicht mehr so viel vorstellen. Wir möchten mit diesem Festival Minne und Poesie ins Bewusstsein rücken und verschiedenste Ausprägungen und Interpretationen dieser Genres präsentieren.

Warum sollte man das Festival auf keinen Fall verpassen?

Aerni: Wenn man es verpasst und erst nachher von anderen erzählt bekommt, wie wunderbar es gewesen sei, wie witzig die Stadtführungen waren, wie kraftvoll die heimische Lyrik im Polizeipräsidium war, wie der Groove von Rap und Band in die Beine ging und wie exotisch oder anheimelnd die Poesie berührte, dann beißt man sich in die Faust und denkt: „Wäre ich bloß hin...“

Müssig: Weil wir hier eines der zentralen Themen des Konzils, die Begegnung von Menschen und der Austausch in ganz unterschiedlichen Sprachen, vor allem auch in der Sprache der Kultur – der Musik, der Poesie, in einem Festival abbilden konnten. Die Unterschiedlichkeit der Angebote und auch die Spannungen zwischen den Stilrichtungen werden auf jeden Fall neue Erfahrungen und Hör- und Sehgewohnheiten mit sich bringen.

Verraten Sie uns Ihr persönliches Highlight des Festivals?

Aerni: Auf diese Frage habe ich gewartet, denn es gibt schlichtweg kein persönliches Highlight, wo kämen wir dahin? Alle Kulturgäste und jeder Programmpunkt birgt dergestalt ein Potenzial, das uns lachen, genießen und sinnieren lässt. Ich schlage vor, dass wir uns nach dem Festival zu einem Gläschen wiedertreffen und das Festival plaudernd Revue passieren lassen. Einverstanden?

Müssig: Hier kann ich Herrn Aerni nur zustimmen. Alle Veranstaltungen sind in sich und vor allem auch im Kontext mit den anderen ein Highlight. Ich freue mich auf jeden Fall auf jeden einzelnen Programmpunkt. Und bei einem Glas Wein mit unseren Gästen nach den Veranstaltungen über „Minne meets Poetry“ zu sprechen ist gewiss auch ganz im Sinne von Oswald von Wolkenstein.

 

 

Urs Heinz Aerni wurde in Baden in der Schweiz geboren und nach Ausbildungsstationen an der Kunstgewerbeschule Bern, Buchhandelsschule Olten und Ausbildung zum Journalisten in Zürich wirkt er heute als Kultur- und Literaturvermittler, Kulturjournalist für diverse Medien und als Publizist und Herausgeber von Büchern und Magazinen. Sein Wirkungsbereich ist das deutschsprachige Europa mit momentaner Fokussierung auf Konstanz.

Sarah Müssig wurde in Germersheim geboren und studierte Soziologie, Geschichte und Kunst- und Medienwissenschaft. Seit 2012 leitete sie das Kulturbüro der Stadt Konstanz, welches am 01.08.2017 zum Kulturamt der Stadt wurde. Das Kulturamt der Stadt Konstanz ist Ansprechpartner für alle kulturellen Vereine, Initiativen und KünstlerInnen. Neben dem Betrieb des Kulturzentrums am Münster mit den Ausstellungsräumen Gewölbekeller und TURM liegt der Schwerpunkt der Arbeit in der Beratung, Förderung und Entwicklung von kulturellen Angeboten für die Stadt Konstanz.

 

Bilder: Urs Heinz Aerni © PD; Sarah Müssig © Kulturamt Konstanz