Kloster und Stadt zur Zeit des Konzils
Öffentliche Ringvorlesung zum Konziljubiläum im Wintersemester 2016/17
Vortragsreihe im Speichersaal des Konzilgebäudes
Anknüpfend an den Erfolg der Ringvorlesung „Die Medialität des Konzils“ laden Universität Konstanz, Stadtarchiv Konstanz und Konzilstadt im Winter 2016/17 zu Vorträgen im Speichersaal des Konzils ein. Die Reihe „Kloster und Stadt zu Zeit des Konstanzer Konzils“ geht auf das wechselhafte und spannungsreiche Verhältnis von monastischen Gemeinschaften und Stadtgesellschaften im späten Mittelalter ein. Ausgehend vom Kloster Petershausen stehen die Klöster der Region im Zentrum. Im Kloster Petershausen fand vor 600 Jahren ein Provinzkapitel statt, das heute als spätmittelalterliche Initialzündung der benediktinischen Ordens- und Klosterreformen gilt.
14.11.16 bis 07.02.17
Beginn ist jeweils 18.15 Uhr, der Eintritt ist zu allen Veranstaltungen frei.
Überblick über die Vorträge
Michael Hohlstein (Konstanz): Gemeinschaften in der Landschaft. Klöster und Städte am Bodensee im späten Mittelalter.
Mönchtum und Städte prägten die Geschichte der Landschaft am See in besonderem Maß. Mit Blick auf das Mittelalter wurde der Bodensee daher mal als Klosterlandschaft, mal als Städtelandschaft beschrieben. Entscheidenden Einfluss auf die Region hatten klösterliche Gemeinschaften dabei vor allem für das frühe und hohe Mittelalter, während das späte Mittelalter im Zeichen der Städte stand. Der Vortrag behandelt das Verhältnis von Kloster und Stadt im Kontext der Landschaft des 14. und 15. Jahrhunderts.
Rund um das in der Abgeschiedenheit gegründete Kloster St. Gallen (612/719) entwickelte sich im Hoch- und Spätmittelalter die gleichnamige Stadt. Dank ihrer wirtschaftlichen Kraft und politischen Organisation wuchs sie zum gleichberechtigten Partner bzw. zum ernstzunehmenden Gegner heran. Kloster und Stadt blieben jedoch im Spätmittelalter auf vielfache Weise verbunden.
Der Vortrag beleuchtet die Verflechtung von Kloster und Stadt in der kirchlichen Organisation und im religiösen Leben vor der Reformation. Im Zentrum stehen die Liturgie sowie die rechtliche und wirtschaftliche Organisation des Münsters und der Frühamtsstiftung.
St. Gallen ist ein Beispiel dafür, wie ein Kloster und eine Stadt über Jahrhunderte eng kooperierten. Obschon die Geschichte nach wie vor die Gegensätze betont – Appenzellerkriege, Klosterbruch von 1489 und Bau einer Scheidemauer zwischen katholischem Kloster und reformierter Stadt – überwog im Alltag das Miteinander. Vor allem wirtschaftliche Notwendigkeiten zwangen zur Kooperation.
Der Bildervortrag gibt Einblick in die wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Verhältnisse der Region Nordostschweiz des Spätmittelalters.
Im 15. Jahrhundert bestanden in Konstanz viele geistliche Gemeinschaften, die damals im städtischen Leben präsent waren und es in ihren baulichen Überresten teilweise heute noch sind. Das Spektrum reicht vom Kapitel der Bischofskirche oder der großen Benediktinerabtei Petershausen über die Bettelordenklöster bis hin zu einfachen Wohngemeinschaften frommer Frauen und Männer. Der Vortrag zeigt, welche Rolle sie zur Zeit des Konzils (und für das Konzil) spielten und was von ihnen überdauerte.
Mit dem Eintritt in einen Konvent scheint das Leben einer Nonne klar bestimmt. Vor allem in rechtlicher Perspektive sind die einzelnen Frauen Teil ihrer Gemeinschaft geworden, deren rechtliche Sonderstellung sie von nun an teilen. Die spätmittelalterliche Rechtspraxis bietet aber ein anderes, vielfältigeres Bild, wie es die Beispiele geistlicher Frauen im Kontext städtischer Gerichte des späten Mittelalters zeigen, die im Zentrum des Vortrages stehen. Die Rechtsfähigkeit von einzelnen Frauen wird über die geistlichen Korporationen hinaus und jenseits davon thematisiert, die spätmittelalterliche Nonnen auf vielfältige Weise als juristische Personen in Erscheinung treten lassen.
Die Zeit um 1417 war schwierig für die Klarissen und Franziskaner von Königsfelden. 1415 hatte der Herzog von Österreich, Friedrich IV., den bis dahin habsburgischen Aargau verloren, der nominell nun dem König gehörte, de facto aber den Stadtstaat Bern und andere Eidgenossen zu neuen Herren hatte. Die Königsfelder Schwestern und Brüder verloren damit ihre herrschaftlichen Gönner und sahen in eine ungewisse Zukunft. Auch zwischen den Konventen selbst dürfte die Situation angespannt gewesen sein, hatten die Klarissen und Franziskaner sich doch zunehmend von der Befolgung ihrer Regel entfernt und konkurrierten nun um Güter, Rechte und Gedenkleistungen. Ein erst kürzlich wiederentdecktes Kopialbuch aus dem Jahr 1417 dient als Prisma, um die Bedürfnisse, Konflikte und Lösungsstrategien der beiden Konvente in dieser Situation in den Blick zu nehmen.
Das benediktinische Provinzialkapitel der Provinz Mainz-Bamberg, das erstmals 1417 im Kloster Petershausen vor den Toren von Konstanz tagte, setzte einen bedeutsamen Impuls zur benediktinischen Ordensreform im 15. Jahrhundert. Die Reform stieß auf starke Widerstände. Eine besondere Form dieses Widerstands war, dass ein Kloster die kirchenrechtlich umstrittene Umwandlung von der Rechtsform eines Benediktinerklosters in die eines Säkularkanonikerstifts anstrebte und in einigen Fällen auch erreichte. Das erste Kloster, das diesen Weg in unmittelbarer Reaktion auf das Provinzialkapitel von Petershausen beschritt, war St. Alban vor Mainz im Jahre 1419. Trotz vielfältiger Anfeindungen von Seiten der Reformvertreter wurde es damit zum Vorreiter für etwa ein Dutzend Klöster im Laufe des 15. Jahrhunderts. Die Umwandlung von St. Alban soll im Vortrag in ihrer Bedeutung als eine bei näherem Einblick faszinierende Fallstudie mittelalterlicher Kirchenpolitik dargestellt werden.
Obwohl an die strengen Regeln der Klausur gebunden unterhielten spätmittelalterliche Frauenklöster unterschiedlicher Observanz vielfältige Beziehungen zu ihrer städtischen Umwelt. Nonnen traten vor städtischen Gerichten auf, tätigten Kaufgeschäfte und unterhielten Stadthöfe. Die städtische Bevölkerung wiederum schickte ihre Töchter in der Hoffnung auf die Jenseitsvorsorge in die Frauenklöster und versah diese mit frommen Stiftungen. Nicht zuletzt deshalb versuchten städtische Gremien Einfluss auf die Reform südwestdeutscher Frauenkonvente am Ende des 15. Jahrhunderts auszuüben.
Der Zustand der Kirche im allgemeinen wie auch die inneren Verhältnisse einzelner Klöster standen im Laufe des Mittelalters immer wieder zur Diskussion. Ausgehend von einzelnen Kritikpunkten herrscht heute oft das Bild von geistlichen Institutionen vor, die nach einer frühen Blütezeit zunehmend verweltlichten und den ursprünglichen Stiftungsmotiven untreu geworden waren. Passt jedoch diese einseitige Darstellung zu den Zuständen im späten Mittelalter? Lässt sich mit dem Gegensatz von «weltlich» und «religiös» tatsächlich das Spannungsfeld innerhalb einer Klausur beschreiben? Das Schicksal des Winterthurer Klosters Töss, wo zahlreiche Nonnen aus Konstanz lebten, zeigt die Schwierigkeit von allzu linearen Deutungen. Töss war dank Elsbeth Stagel im 14. Jahrhundert ein Zentrum der Mystik, im ausgehenden 15. Jahrhundert dann Ort einer erstaunlichen künstlerischen Blütezeit.
Die Auseinandersetzung zwischen Reformbefürwortern und Reformgegnern war immer auch ein vielfältiger Konflikt um Recht. Beide Parteien sahen sich jeweils im Recht, behaupteten ihre rechtmäßige Lebensweise und verwiesen auf Rechtstitel, mit den sie die Ansprüche des Anderen abzuwehren versuchten. Zugleich suchten reformunwillige Gemeinschaften den Anschluss an das Recht anderer Korporationen, das sie gegen drohende Reformen schützen sollte. Im südwestdeutschen und eidgenössischen Raum verbanden sie sich über Burgrechtsverträge zum Teil ganz situativ mit Städten. Bei den Versuchen, Bürger einer Stadt zu werden, setzten sie eben nicht allein auf rechtliche Autonomie, sondern gingen rechtliche Kooperationen ein, die den überkommenen klösterlichen Raum überschreiten konnten, sowohl in normativer Hinsicht als auch bezüglich der Wahl der Interaktionspartner. Dabei setzten sie auf ein bekanntes Konzept, lassen sich die burgrechtlichen Verbindungen zwischen Städten und Klöstern doch bis in das späte 13. Jahrhundert zurückverfolgen.
Klöster passten nicht zum reformatorischen Kirchen- und Frömmigkeitsverständnis. Vor allem das reformatorische Gnadenverständnis und die damit zusammenhängende Ablehnung der sogenannten „Werkgerechtigkeit" führten dazu, dass aus Sicht der Reformatoren Armut, Keuschheit, Arbeit und andere „gute Taten" kein hinreichender Grund für das Seelenheil mehr waren. Vehement kritisierte vor allem Martin Luther, selbst Augustinermönch, diese Vorstellungen und gab dementsprechend im Oktober 1524 die mönchische Lebensform auf. Diesem Beispiel folgend beendete die Reformation auch außerhalb Wittenbergs das spätmittelalterliche Klosterleben. In Konstanz, Bischofssitz und Konzilsstadt, standen die Klöster seit den frühen 1520er Jahren in der Kritik. Je stärker die reformatorische Bewegung in der Stadt wurde, desto schwieriger wurde das Leben für die zahlreichen Vertreter des Bistums sowie die Mönche und Nonnen. Als der Bischof die Stadt 1526, bedrängt durch die städtische Obrigkeit und die reformatorische Bewegung, Richtung Meersburg verließ, folgte ihm ein Großteil der Kleriker. Den Zurückgebliebenen wurden evangelische Prediger vorgesetzt. 1528 ordnete der Rat an, in den Männerklöstern die Messe abzuschaffen und die Aufnahme von Novizen zu verbieten. Viele Klostergebäude wurden in der Folge neuen Verwendungszwecken zugeführt, wurden Schulen und Spitäler. Nach und nach kam so das klösterliche Leben u.a. in der Benediktinerabtei Petershausen oder dem Dominikanerkloster zum erliegen. Der Vortrag behandelt die Voraussetzungen und Folgen dieser Entwicklungen als wichtigen Einschnitt in der Geschichte der Stadt Konstanz.
Jürgen Klöckler (Konstanz), Fazit: Kloster und Stadt zur Konzilzeit
Veranstalter: Stadtarchiv Konstanz, Universität Konstanz, Konzilstadt Konstanz
von 14.11.2016 bis 06.02.2017
Montags, 18.15 – 19.45 Uhr
Speichersaal Konzilgebäude
Eintritt frei
Bild: bearbeiteter Konstanz Kalender 1553, StadtA Konstanz Z I Alte Bildsammlung 461/1