Der Komponist Bernd Konrad hat uns in einem Interview schon vor der Premiere am 24. März einige Details zu „Gradensee“ verraten.

Herr Konrad, die Zuhörer des Eröffnungskonzertes der Tage der Chor- und Orchestermusik erwartet die Uraufführung des Werks „Gnadensee“. Die Komposition greift thematisch die Legende des Gnadensees auf – eine Legende, die sich um den Teil des Untersees zwischen der Insel Reichenau und Allensbach dreht. Was war der Anstoß, diesem sagenumwobenen Teil des Bodensees eine Komposition zu widmen?

BERND KONRAD:
Nach dem „Ritt über den Bodensee“ (2002) ist „Gnadensee“ der 2. Teil meiner „Bodenseetrilogie“ für Orchester. Gnadensee ist der Teil des Bodensees zwischen Allensbach und der Insel Reichenau. Es heißt, dass die Gerichtsbarkeit bis zum Mittelalter auf der Insel Reichenau vom Kloster der Reichenau wahrgenommen wurde. So konnte der Abt des Klosters auch Begnadigungen aussprechen, gerade im Falle eines Todesurteils, das damals gar nicht so selten war. Der Verurteilte wurde in einen Kahn gesetzt und zum Festland nach Allensbach gerudert. Dort erwartete ihn der Galgen – oder bei Frauen die Strafe am Konstanzer „Frauenpfahl“ d.h. sie wurden in einem Sack – meist noch mit einer lebenden Katze, Schlange oder einem Huhn- zusammen, am Konstanzer „Frauenpfahl“ ertränkt.
In meiner Geschichte wird eine junge Frau verurteilt, die von weit herkommend, Asyl im Kloster der Reichenau erbitten möchte. Da die junge Frau kein Geld für die Überfahrt auf die Reichenau hat (der Damm wurde erst Jahrhunderte später gebaut) beschließt sie mit ihrem Baby auf dem Rücken über den Gnadensee zu schwimmen. Als ihr bei dieser waghalsigen und übermenschlichen Aktion die Kräfte verlassen, rutscht das Baby von ihrem Rücken und es ertrinkt.

Als Fischer am nächsten Morgen die völlig entkräftete und verzweifelte Frau finden, die sich nicht erklären kann, ist sie dem Wahnsinn nahe. Das tote Baby wird geborgen und an Land gebracht, während sie ins Kloster gebracht, auf ihre Verurteilung wartet.

Das Gericht fordert die Todesstrafe. Die Frau soll mit einem Boot nach Allensbach und dann zum Konstanzer „Frauenpfahl“ gebracht werden, um dort den Tod zu finden. Die verzweifelte Frau sitzt betend im Boot, als von Ferne die Glocken des Reichenauer Klosters hörbar werden. Der Abt hat ein Einsehen und seine Gnade rettet die Frau. In Allensbach wird sie aus dem Boot gelassen und ist frei. Deshalb heißt dieser Seeteil auch „Gnadensee“.

Die Sage birgt vieles in sich; neben einer menschlichen Tragödie letzten Endes auch eine Verbindung zur heutigen Flüchtlingssituation.

Woher nehmen Sie die Inspiration für Ihre Kompositionen?

BERND KONRAD:
Seit vielen Jahren habe ich mich mit dieser Sage beschäftigt. Bereits vor 20 Jahren wollte ich über diese Thematik ein Orchester-Stück schreiben, doch wurden andere Projekte vorgezogen. Doch erst heute wurde mir klar, dass die Musik Elemente aus dem Mittelalter braucht, um eine gewisse „Fremdhaftigkeit“ einzufangen. Allein „neue Musik“ wäre zu wenig gewesen.

Die Komposition „Gnadensee“ ist für Orchester und Chor geschrieben. Worin lagen die Herausforderungen für zwei doch so unterschiedliche Klangkörper zu komponieren?

BERND KONRAD:
Eigentlich war es Beat Fehlmann, der Chef der Philharmonie, der mich fragte, ob ich Lust hätte solch ein Projekt in dieser Besetzung zu schreiben, da im gleichen Konzert Maurice Ravel diese Besetzung vorgegeben hatte.

Haben Sie das Werk schon einmal ganz am Stück von der SWP und dem Chor gehört?

BERND KONRAD:
Von der Komposition habe ich klanglich noch nicht viel gehört, wenn man von dem Computer absieht, über den man ansatzweise die Töne hören kann, aber eben wegen der Kapazität nicht alle und natürlich sind es auch keine Orchesterinstrumente.

Wird „Gnadensee“ im Rahmen der Chor- und Orchestertage eine einmalige Aufführung sein oder kommen die Besucher auch ein weiteres Mal in den Genuss, das Werk zu hören?

BERND KONRAD: Ich glaube kaum, dass in nächster Zeit noch einmal ein Orchester und ein Chor – gemeinsam sind ca. 180 – 200 Ausführende nötig – es sich zur Aufgabe nehmen wird, dieses Werk nochmals aufzuführen. Dafür ist es zu umfangreich. Trotzdem würde ich mich natürlich freuen, wenn dieses Werk, an dem ich mehr als ein halbes Jahr gearbeitet habe, noch einmal aufgeführt würde.

Das Interview führte Andrea Kling.

Tickets sind an allen Vorverkaufsstellen der Südwestdeutschen Philharmonie und online erhältlich. Eintrittspreise: 54/49/42/34 €

 

Das Auftaktkonzert findet am Freitag, 24. März 2017, um 19 Uhr im Bodenseeforum statt. Details unter www.tagedermusik.de.