Oberstes Ziel des Konzils in Konstanz war – inzwischen wissen es die meisten – das Abendländische Schisma zu beenden und somit aus drei Päpsten wieder einen zu machen. Dieses Schisma war jedoch in der Geschichte der christlichen Kirchen – ja, der Plural ist volle Absicht! – weder einzigartig noch besonders bedeutsam. Die zweitausend Jahre alte Geschichte des Christentums ist geprägt von Spaltungen.

Heute kennen wir vor allem die katholische und die evangelische Kirche und vielleicht noch die eine oder andere orthodoxe. Kaum einer ist sich darüber bewusst, dass noch viele mehr gibt! Schon im Mittelalter bestand das Christentum aus zahlreichen Konfessionen, die unterschiedliche Lehrmeinungen vertraten oder verschiedene Oberhäupter wählten.

Schon in den ersten Jahrhunderten war das Christentum „multizentral“. Neben Rom befanden sich bedeutende Mittelpunkte im 4. Jahrhundert unter anderem in Antiochia am Orontes, in der heutigen Türkei, oder in Alexandria in Ägypten. Da sich die christliche Lehre sehr weit verbreitet hatte, wurde es irgendwann schwierig, alle zu vereinen. Die verschiedenen christlichen Gruppierungen wählten sich eigene Oberhäupter, sogenannte Katholikoi. Dies geschah beispielsweise in Persien, Indien, Äthiopien oder in Nubien, südlich von Ägypten.

Bald stritten Gelehrte der verschiedenen Gruppierungen darüber, wer die Bibel richtig auslegte und die richtige Lehre vertrat – schnell versagte man sich gegenseitig die Anerkennung. Auf Konzilien wurden diese Streitpunkte von den großen Gelehrten ausgefochten und die Fronten verhärteten sich mit der Zeit zunehmend. Auf den Konzilien des 5. Jahrhunderts in Ephesos und Chalkedon ging es besonders hoch her: Man stritt sich über die korrekte theologische Formulierung des Glaubens an Christus. Und zwar so sehr, dass sich bereits hier die erste dauerhafte Spaltung vollzog und sich in der Folge die ersten christlichen Konfessionen herausbildeten: die orientalisch-orthodoxen Miaphysiten und Nestorianer auf der einen Seite, das lateinische und orthodoxe Christentum auf der anderen.
Die Ausbreitung des Islams und die damit zusammenhängenden Eroberungen von Land und Herrschaft durch die Muslime ab dem 7. Jahrhundert trugen außerdem dazu bei, dass sich einzelne Konfessionen unterschiedlich entwickelten, je nachdem, ob sie unter christlicher oder muslimischer Herrschaft standen.

1054 kam es dann zum sogenannten Morgenländischen Schisma, infolge dessen die zweite große (und dauerhafte) Spaltung erfolgte: Man stritt über den päpstlichen Autoritätsanspruch, woraufhin sich die orthodoxe und die lateinische Kirche voneinander abspalteten. Es gab immer wieder Versuche, diese Trennung rückgängig zu machen. Mehrere Delegationen versuchten auf dem Konstanzer Konzil in der Unionsfrage zu verhandeln – jedoch ohne Erfolg.

Die nächste große Spaltung ließ nach Beendigung des Abendländischen Schismas 1417 nicht mehr lange auf sich warten: 1517 bildete sich mit Martin Luther wieder eine neue Konfession.

 

Bilder: links und mittig: Auch während des Konstanzer Konzils feierten Christen der lateinischen Kirche anders Gottesdienst als Christen der orthodoxen Kirchen. © Rosgartenmuseum Konstanz
rechts: Auch in der Kirchenarchitektur kann man unterschiedliche Entwicklungen erkennen. Hier eine skandinavische Stabkirche in Borgund.