Ein Tag in Konstanz zur Konzilszeit
Es muss eng gewesen sein in Konstanz zur Konzilszeit, ähnlich wie heute an einem sonnigen Samstag im Sommer. In den Straßen drängten sich fremde und schon lange in Konstanz ansässige Bäcker, Schneider, Scherer, Barbiere und andere Handwerker. In den Häusern ging es ähnlich eng zu, denn der Wohnraum war knapp in der Konzilstadt: Teilweise wohnten über zwanzig Knechte in einem Haus.
Zwar verfügte Konstanz als Handelsplatz über verschiedene Gasthäuser und eine Vielzahl von Klöstern und Domherrenhäuser für die kirchlichen und weltlichen Teilnehmer, dennoch mussten zahlreiche Gäste im Umland oder gar auf der anderen Seeseite Quartier nehmen. Dies betraf häufig große Delegationen, die ihre Dienerschaft ausquartierten.
Fremde Handwerker waren in Konstanz auf dem oberen Münsterhof oder dem Kirchhof der Franziskaner angesiedelt. Nur mit ihrer Unterstützung war es möglich, den Ansprüchen der zahlreichen Gäste gerecht zu werden. Denn oft wollten die Besucher des Konzils auf liebgewonnene Gewohnheiten nicht verzichten. Davon zeugen die zahlreichen fremden Schneider, Goldschmiede, Pastetenbäcker und Kürschner. Doch auch die einheimischen Handwerker profitierten von den durch das Konzil geschaffenen neuen Aufträgen: So wurde der Umbau der Bischofspfalz und des Konzilgebäudes von Konstanzer Handwerkern bewerkstelligt. Die Malereien von Heinrich Grübel, Johan Lederhoser und Capar Sünder kann man heute noch in der Augustinerkirche betrachten. Innerhalb von vier Monaten malten die drei Meister im Auftrag von König Sigismund die Kirche aus und bekamen - entgegen den sonstigen Gewohnheiten des Königs - sogar ihre Tätigkeit bezahlt.
Um einen handwerklichen Beruf auszuüben war eine Ausbildung nötig. Diese regelte die Zunft, die zugleich auch für die Qualität der Erzeugnisse, die Verkaufs- und Produktionsbedingungen zuständig war. Die Zunft kümmerte sich außerdem um die richtige Ausübung der Berufe sowie um die Löhne. Am Anfang der handwerklichen "Karriere" stand meist ein Leben am Existenzminimum - ganz im Unterschied zum Leben, das einige Meister führten. Die meisten Betriebe waren dennoch auf die Mithilfe von den Kindern des Meisterpaares angewiesen. Sie übernahmen Botengänge und Hilfsarbeiten.
Für Essen wurde unabhängig vom Einkommen mehr als die Hälfte des Gehaltes ausgegeben. Ein weiterer Teil des Geldes ging in die Miete - manche konnten sich ein ganzes Haus leisten, andere hatten nur einen Raum oder ein Stockwerk zur Verfügung. Die Häuser oder Wohnungen sind aus heutiger Sicht höchst unkomfortabel: Statt Fensterglas wurden Klappen oder undurchsichtige Planen verwendet. Es war oft kalt und auch am Tag dunkel im Gebäude. Die Kälte konnte im Winter auch der Herd oder Ofen nicht vermeiden. Die Möblierung war sparsam und die Wände meist kahl. Geschlafen wurde auf einem Bett mit einer Matratze aus Stroh oder Daunen, in ärmeren Haushalten auf einem Strohsack auf dem Boden.
Doch nach diesen, wohl oft unbequemen Nächten, wartete erneut ein Tag voll körperlich schwerer Arbeit auf die Menschen. Der Arbeitstag dauerte oftmals sechzehn Stunden, wurde jedoch durch Feiertage, Mittagspausen oder die Besuche von Trinkstuben unterbrochen. Für weitere - allerdings unangenehmere Pausen - sorgten Krankheiten und die oftmals schlechte Ernährungslage.